Personalgewinnung und Onboarding von Aufsichtsräten
Alle Jahre wieder findet das ADG Seminar „Top-Themen für Aufsichtsratsvorsitzende“ im Schloss in Montabaur statt. Bei strahlendem Sonnenschein haben sich in aller Frühe 15 Aufsichtsratsvorsitzende dort eingefunden. Sogar mein ehemaliger Chef war dabei, aber auch viele Wiederholungstäter, die durch Herrn RA Ziechnaus und mir durch den Tag begleitet wurden. Besonders positiv wird der offene Erfahrungsaustausch von den erprobten Vorsitzenden geschätzt.
Die besondere Herausforderung für uns als Referenten ist es, dass die Agenda morgens durch die Themenabfrage während der Vorstellungsrunde spontan zusammengestellt wird. Es gibt keinen vorbereiteten Foliensatz, sondern wir bekommen einen super Einblick in die aktuellen Gedanken/Probleme von Aufsichtsräten.
Einen besonderen Punkt der Agenda möchte ich auch dieses Jahr wieder hervorheben und hier im Blog auch andere Banken weitergeben. Letztes Jahr habe ich hier im Blog den Umgang mit neuen Geschäftsmodellen durch Aufsichtsräte aufgegriffen (Ein Top-Thema für Aufsichtsrats-/Verwaltungsratsvorsitzende)
Auf unsere Agenda wurde dieses Mal das Thema Personalgewinnung und Onboarding von Aufsichtsräten gesetzt.
Herausforderungen
Zwar sind viele frisch fusionierte Banken mit meist großen Aufsichtsratsgremien besetzt (gestern lag die Spitze bei einem 42-köpfigen Gremium!), aber es waren auch Teilnehmer dabei die den letzten Aufsichtsrat vor sage und schreibe 18 Jahren bestellt hatten. Der „Benjamin“ dieses Gremiums war sogar mit an Bord und ist mittlerweile schon stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender. Leider scheiden häufig in diesem jahrelangen Abschmelzungsprozess die „Falschen“ aus. Die gemeinsame Überalterung des Gremiums ist kein optimaler Zustand. Vor allem leidet die Diversität hinsichtlich der Altersspreizung, der Berufsvielfalt und des Geschlechteranteils.
Insbesondere für die neuen Herausforderungen der Digitalisierung, IT-Sicherheit und Nachhaltigkeit wurde es in der Gruppe als wünschenswert herausgearbeitet, wenn die Diversität sich verbessert:
„Die Diversität verbessert ein Gremium immer, zumindest wird es nie schlechter dadurch„
Ich möchte hier nochmal klar betonen, dass es nicht um die Frauenquote geht, sondern um eine Mischung der Kompetenzen und Altersgruppen.
Attraktiv für Nachwuchskräfte werden
Neben den fusionsbedingten Überbesetzungen wird es aber auch zunehmend schwieriger junge Nachwuchskräfte für den Aufsichtsrat zu gewinnen. Es bewirbt sich in fast allen Banken niemand um ein solches Mandat, sondern es muss intensiv auf die Suche gegangen werden und mit viel Überredungskunst der potentielle Wunschkandidat überzeugt werden. Dabei muss das Amt vor allem emotional attraktiv gemacht werden. Mit Emotionen gewinnt man Menschen.
Daher haben wir gemeinsam Ansatzpunkte zusammengetragen, die das Onboarding strukturiert unterstützen und dabei den potentiellen Kandidaten zeigen, dass
- es um ein sehr attraktives Amt geht, dass viele Erfahrungen und Netzwerke mitbringt, die einen Aufsichtsrat persönlich aber auch in seiner Berufstätigkeit unterstützen und dass
- es sich um eine „Ehre“ handelt, für ein solches Amt angesprochen zu werden.
In die etwas unstrukturierte Sammlung bringe ich wie folgt in Ordnung:
Bereits vor der konkreten Suche sollte in der Öffenlichkeit Klarheit über die Tätigkeit des Aufsichtsrats haben.
Dazu sollte in der General-/Vertreterversammlung und/oder Homepage und/oder Social Media der Bank die Tätigkeit des Aufsichtsrats besser vorstellen. Aber auch die gesetzlichen Vorgaben an die Aufsichtsratstätigkeit (GenG, KWG, Merkblatt der BaFin), die kompetente engagierte Aufsichtsräte benötigt, sollten thematisiert werden.
Vor allem im „Bericht des Aufsichtsrates“ sollte viel konkreter als bisher das Tätigkeitsspektrum dargestellt werden. Ich hatte dazu schon mal einen eigenen Blog hier für Dich eingestellt (Mein Tipp: Peppen Sie den Bericht des Aufsichtsrates auf!). Wenn man dort die Suche nach Aufsichtsräten anspricht, sollte auch die Einführungsunterstützung dargestellt werden. Ich weiß, dass die aktuellen Aufsichtsräte i.d.R. ins kalte Wasser geschmissen wurden und sich in den ersten Jahren freigeschwommen haben. So nach 2 Jahren wusste man wie der Hase lief. Aber dies halte ich für nicht mehr zeitgemäß. Der Job eines Bank-Aufsichtsrates ist viel anspruchsvoller geworden, daher ist eine gezielt Unterstützung sinnvoll und erleichtert die Nachfolgesuche.
Ebenfalls vor der konkreten Suche sollte die angemessene Arbeitsweise/ Arbeitsmittel/Ausstattung geschaffen werden.
Es beginnt auch mit einer attraktiven Vergütung, die die verantwortungsvolle Arbeit auch angemessenen anerkennt. Im gestrigen Seminar war der Spitzenwert nach unten 100 Euro pro Sitzung ohne weitere Zahlungen. Damit lockt man nicht die cleveren Köpfe an, die man gerne hätte……
Die optimale technische Ausstattung ist ein Aufsichtsratsportal kombiniert mit einem iPad oder Laptop. Auch Messenger Dienste für die Aufsichtsratskommunikation oder flexible Umlaufbeschlüsse unterstützen optimal die Arbeitsweise.
Die Sitzungszeiten die häufig in den Abendstunden liegen, belasten die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Nebenamt als Aufsichtsrat.
- Das frühere „Ehrenamt“ tagte erst in den späten Abendstunden (Beginn 18 oder 19 Uhr).
- Modernere Aufsichtsräte legen um eher um 15 Uhr los.
- Wir hatten sogar Teilnehmer dabei, die die Sitzungsanzahl auf die satzungsrechtlichen 4 Termine reduziert haben und diese dann ganztags um 9 Uhr beginnen zu lassen. Statt 8 Termine á 3 Stunden sind 4 Termine á 6 Stunden auch möglich. Aber die Vergütung muss so attraktiv sein, dass die 4 Urlaubstage gerne geopfert werden.
Gerade nach Fusionen entstehen riesige Geschäftsgebiete und die Reisezeiten zu den Sitzungen nehmen zu. Durch eine Mischung der Sitzungstermine nach Standorten der Bank: Um die Reisezeiten gleichmäßigen im Gremium zu verteilen und nach Durchführungsart:
- Präsenzsitzungen: insbesondere für anspruchsvolle diskussionsbedürftige Themen
- virtuelle Sitzungen: für Standardthemen (Bericht Geldwäsche, Compliance, IR, etc.)
- hybride Sitzungen: um die Vollzähligkeit des Gremiums sicherzustellen, wenn die notwendigen Reisezeiten nicht an dem Tag möglich sind. Dies setzt allerdings eine einwandfreie technische Ausstattung des Sitzungsraums voraus. Auch die Digitalisierung im Aufsichtsrat kostet zunächst Geld.
Der Umgang mit dem konkreten Kandidaten, also das Onboarding im engeren Sinne sollte mit diversen Gesprächen unterstützt werden.
Im Vorgespräch vor der Wahl sollte die Struktur des Aufsichtsrats, die strukturierte Einführungsunterstützung, die Informationsversorgung und Ausstattung, der zeitliche Aufwand und die Vergütung vorgestellt werden. Herr RA Ziechnaus schätzt den Zeitumfang mit 0,5 Tagewerken ein.
Im Erstgespräch nach der Wahl sollte die aktuelle Situation, die Handlungsfelder und die innere Organisation des Aufsichtsrats erörtert werden. Herr RA Ziechnaus schätzt den Zeitumfang ebenfalls mit 0,5 Tagewerken ein. Ebenso müssen die „wichtigen Informationen“ übergeben werden. Die BaFin setzt im Merkblatt dazu eine Frist von einem Monat. Ich empfehle hierunter zu verstehen:
Übergabe Technik mit Zugang zum Datenraum für den Aufsichtsrat. Dort findet das neue Mitglied:
- Satzung und Wahlordnung
- Geschäftsordnung Vorstand und Aufsichtsrat
- Eignungsrichtlinien
- Geschäftsverteilungsplan
- Geschäfts- und Risikostrategie und Teil-Strategien
- Risikoberichte
- Prüfungsberichte
Literatur zum Selbststudium:
- Der Aufsichtsrat der Genossenschaft (DG-Verlag)
- DRGV-Aufsichtsratsmappe
- Glossar: Banktypischer Fachbegriffe für Aufsichtsräte (herausgegeben von der ADG, ich bin eine der Autoren)
- Als sehr professionell habe ich gestern auch das Nachgespräch nach 3-4 Monaten wahrgenommen. Dort erkundigt sich der/die Aufsichtsratsvorsitzende, ob es noch Unterstützungsbedarf gibt bzw. ob die Einführung bisher optimal abgelaufen ist.
In der praktischen Einführung habe ich auch in der Praxis schon folgende best practice entdecken können
- Mentoren-System: Ein alter Aufsichtsrats-Hase wird dem jungen Hasen an die Seite gestellt und steht für die vielen Fragen am Anfang mit seiner Erfahrung zur Verfügung.
- Der junge Aufsichtsrat wird von Anfang an in die Ausschusstätigkeit eingebunden.
- Gestern kam hinzu: Die gezielte Begleitung im ersten Jahr anhand eines Vorgesprächs vor jeder Sitzung anhand der gleich anstehenden Tagesordnung durch den/die Vorsitzende/n bzw. dem Mentor.
Ich wünsche uns, dass mit ein paar Veränderungen nach Außen, sich tatsächlich wieder kluge Köpfe für das Amt des Aufsichtsrats begeistern und nicht mehr „überzeugt“ werden müssen. Der Termin das Seminar für Aufsichtsratsvorsitzende für nächstes Jahr steht auch schon fest: 24. Juni 2023. Herr RA Ziechnaus und ich würden uns freuen, wenn Du Deiner/m Vorsitzenden den Blog weiterleitest.
Juni 2022
COLETTE STERNBERG
P.S. Die deutliche Betriebsferne von Aufsichtsratsmitgliedern könnte in Krisenfällen bewirken, daß sie die Lage von einer höheren Sicht aus beurteilen. (Cyril Northcote Parkinson)
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