12/19/2022

TIEFE RISIKOANALYSE DURCH DIE BUNDESBANK

Der jährliche Finanzstabilitätsbericht der Bundesbank enthält wichtige Erkenntnisse über die aktuelle Lage und zukünftige Entwicklungen im Bankensektor. In diesem Jahr betont die Bundesbank die Bedeutung des antizyklischen Puffers und die Erhöhung verschiedener Kapitalpuffer. Der Bericht zeigt auch, dass große Banken ihre Eigenkapitalquote durch interne Modelle erhöhen können, während kleine Banken in der offiziellen Kernkapitalquote niedriger liegen. Diskussionen über vorsichtige Dividendenausschüttungen und die Auswirkungen des Zinsanstiegs werden ebenfalls behandelt. Die Kreditentwicklung, Verschuldung und Immobilienfonds sind weitere Schwerpunkte des Berichts.


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Finanzstabilitätsbericht

Alle Jahre wieder wird ein dicker Finanzstabilitätsbericht (143 Seiten) von der Bundesbank veröffentlicht. So manche Entwicklung wird dort dezent angekündigt, so dass ich auch den 2. Advent nutzen möchte, um dort einen Blick mit Dir reinzuwerfen. Zum Beispiel hättest Du dort im vergangenen Jahr schon etwas vom antizyklischen Puffer lesen können, der dann ein paar Wochen später am 12.01. diesen Jahres auf den Weg gebracht wurde.

Die deutsche Aufsicht war übrigens in guter Gesellschaft, denn vor allem im ersten Halbjahr haben viele Staaten die diversen Kapitalpuffer erhöht:

Ich möchte Dir die interessantesten Erkenntnisse kurz an die Hand geben. Das ist im übrigen auch eine schöne Analyse des Marktumfeldes für Deinen Strategieprozess in der Bank. Bitte beachte, dass die Bundesbank tendenziell „das Glas halb leer“ sieht und daher viele „Teufel an die Wand malt„. Aber nichts desto trotz, sind einige wichtige Sichtweisen dabei und es ist immer besser zu wissen, wie der Aufseher uns Banken sieht.

Mit unserem Eigenkapital ist man ganz zufrieden:

In der vorstehenden Grafik kannst Du gut erkennen, dass große Banken sich durch ihre schicken internen Modelle ihre EK-Quote toll hochrechnen können. In der ungewichteten EK-Quote liegen kleine Banken deutlich über den großen Banken, aber in der offiziellen Kernkapitalquote deutlich darunter.

Leider kommt auch wieder die heikle Diskussion mit den „vorsichtigen“ Dividenden auf. Ich hoffe, dass dies nicht wieder so hoch gekocht wird, weil ja auch vor 2 Jahren die Lage der Banken seitens der Aufseher völlig falsch eingeschätzt wurde.

Eine schöne Übersicht der Auswirkungen der aktuellen Marktlage kannst Du der folgenden Grafik entnehmen:

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Kreditentwicklung

Ein breiter Indikator für die Kreditentwicklung ist die Kredit/BIP-Lücke. Nach einem Anstieg während der Corona- Pandemie ist sie seit einigen Quartalen rückläufig, verbleibt aber deutlich über dem Niveau von vor der Corona- Pandemie. Anhand dieser Kredit/BIP-Lücke wird auch der antizyklischer Puffer bestimmt, aufgrund der rückläufigen Entwicklung sinkt auch die Wahrscheinlichkeit, dass der Puffer nochmal erhöht werden sollte:

Seit einigen Wochen höre ich schon, dass die Kreditvergabe deutlich nachgelassen hat. Dies kann man den aktuellen Statistiken gut entnehmen:

Speziell für Wohnungsbaukredite kann der Zusammenhang mit den Zinsanstiegen gegenübergestellt werden:

Verschuldung

Sehr interessant ist die Sicht auf die Verschuldung. Diese ist zwar im europäischen Vergleich noch niedrig, aber im Zeitverlauf auch bei uns gestiegen:

Alle Verschuldungsblöcke sind gestiegen. In den erhöhten Staatsschulden sind doch bis zu einem ¼ bis Ende nächsten Jahres fällig und können zu höheren Haushaltsbelastungen führen:

Auch die Unternehmensverschuldung ist seit 2018 stark angewachsen.

Und zuletzt ist auch die Verschuldung der Privathaushalte hoch gegangen. Das erklärt mir nun auch viel besser, woher das hohe Kreditwachstum in den Genobanken und Sparkassen gekommen ist. Früher sind wir immer nur jährlich um 3 % gewachsen und in den letzten Jahren jeweils um die 10 % Jahr für Jahr. Da wurde nicht zulasten der Konkurrenz gewachsen, sondern es war faktisch genug für alle da….

Ich höre auch von vielen Banken, dass man kaum Kunden kennt, die „besonders von der Energiekrise betroffen sind“. Dies bestätigt sich nun auch in der folgenden Statistik, denn die meisten Wertschöpfungen in Deutschland kommen weniger energieintensiven Sektoren:

Für die Unternehmen sollte der Zinsanstieg gut zu verkraften sein, da dieser traditionell nur einen geringen Teil der Betriebsausgaben darstellt:

Auch für die privaten Haushalte wurden positive Effekte von der Bundesbank heraus gearbeitet. Als risikomindernd sieht man die Konsumeinschränkung um weiterhin ihre Kredite bedienen zu können.

Oder auch, dass die gestiegenen Lebenshaltungskosten nicht alle Kundengruppen gleichermaßen betreffen.

Und zuletzt wirkt positiv auf unser Kreditrisiko, dass die langen Zinsbindungen die Haushalte für die nächsten Jahre vor höheren Kapitaldiensten schützen.

Selbstverständlich glaubt die Aufsicht weiterhin an die Immobilienblase, obwohl wir immer noch Preisanstiege im Jahresvergleich haben:

Um hier Risiken in der Kreditvergabe verhindern zu können, wünscht sich der Aufseher neue Rechte:

Zinsanstieg

DSTI steht für die Schuldendienst – Einkommen – Relation (Debt-Service-to-Income-Ratio, DSTI). Je höher der monatliche Schuldendienst im Verhältnis zum Einkommen ist, desto eher können Kreditnehmer in Bedrängnis kommen, wenn etwa die Inflation die Lebenshaltungskosten erhöht, die Zinsbindungsfrist ausläuft oder das Einkommen sinkt. DIT steht für die Verschuldung zum Einkommen der Neukreditnehmer (Debt-to-Income-Ratio, DTI). Solche Verhältnisse würde die BaFin gerne beschränken können, aber mangels gesetzlicher Regelungen darf sie nicht in die Geschäftspolitik bei der Kreditvergabe reingrätschen.

Kommen wir jetzt zum heftigen Zinsanstieg. Die Aufsicht hat hunderte von Verlustmeldungen erhalten und ist bisher moderat damit umgegangen. Hier wird auch im Finanzstabilitätsbericht zwar die „erheblichen“ kurzfristigen Auswirkung dargestellt, aber gleichzeitig betont, dass die mittelfristigen positiven Effekte aus den Zinserträgen des Kreditgeschäfts dominieren. 

Der Zinsanstieg führte bereits im ersten Halbjahr zu erheblichen Bewertungsverlusten in den Wertpapierportfolios der Banken. Bei Sparkassen und Kreditgenossenschaften beliefen sich die Abschreibungen auf Wertpapiere auf 12,3 Mrd €. Dies entspricht rund 5,6% des harten Kernkapitals: Also müssten rund die Hälfte der Banken eine Verlustmeldung mit > 5 % des Kernkapitals abgegeben haben.

Die Verluste der großen Banken waren unter anderem deswegen geringer, weil diese Banken häufiger Absicherungsgeschäfte abschließen und im Handelsgeschäft teilweise sogar Gewinne erzielten.

Die Liquiditätsausstattung (LCR) ist trotz des Anstiegs der Marktzinsen weiter auf einem vergleichsweise hohem Niveau:

Das deutsche Bankensystem weist eine hohe Fristentransformation bei uns kleinen Banken auf. Aufgrund des Zinsanstiegs wurde jedoch kräftig gegengesteuert, wie die folgenden Grafik gut aufzeigt. Im zweiten Quartal 2022 leicht rückläufig:

Da sich kleine und mittelgroße Banken hingegen überwiegend über Kundeneinlagen refinanzieren, sind wir daher kostenseitig weniger vom Zinsanstieg betroffen. Die Trendumkehr unserer rückläufigen Zinsspannen ist schon sofort erkennbar.

Der Entspannung an der Zinsfront folgt jedoch die Sorge um die Kreditrisiken, die die verrückten Märkte auslösen könnten. Du siehst die früher mal vorhandenen Risiko-vorsorgebestände von denen nichts mehr übrig ist. Wenn solche Bestände wieder aufgebaut werden müssten……

Sehr überrascht hat mich, dass Genobanken vergleichsweise stark gegenüber Kreditrisiken von privaten Energieversorgern exponiert sind. Vielleicht über Schuldscheindarlehen?

Ein gutes „Big Brother is watching you“ steckte in der folgenden Grafik. Einige wenige Banken haben nicht viel Risikokapital und genau dort wird ausgewertet, dass diese brav ihren Geschäftsumfang auch nicht erhöhen:

Es gab auch Appelle an die Gesetzgeber: Zum einen sollen grüne Investitionen nicht belohnt werden. Diese würden auch Risiken bergen und sollen daher nicht privilegiert werden. Im Bankensektor sind diese Vorschläge längst vom Tisch, aber anscheinend geistert ein Vorschlag im Versicherungssektor in Brüssel rum:

Und auch die 200 Mrd.EUR Doppel-Wumms der Bundesregierung werden kritisch gesehen, denn es sollen keine Zombie-Unternehmen am Leben gehalten werden und falsche Anreize gesetzt werden. Die Unternehmen sollten unternehmerische Risiken tragen und nicht immer unterstützt werden, denn dies könnte zur Überlastung der öffentlichen Haushalte führen.

Immobilienfonds

Das letzte Kapitel widmete sich den Immobilienfonds. Ich beobachte mit großer Sorge die seit Jahren immer strengere Regulierung der Fonds. Auch in Sonderprüfungen werden Immobilienfonds im Risikomanagement immer wieder extrem hart rangenommen. In diesem Finanzstabilitätsbericht erläutert die Buba welche Verpflechtungen über Fonds entstehen und wie diese auf die Finanzstabilität wirken könnten. Jetzt kann ich die gesetzte hohe Latte etwas besser nachvollziehen. Aber es ist zum Glück nur „ein Teufel an der Wand“, weil bisher Immobilienfonds keine besonderen Risiken aufweisen.

Der Gewerbeimmobilienmarkt reagiert stärker auf konjunkturelle Entwicklungen als der Wohnimmobilienmarkt. Abrupte Änderungen im wirtschaftlichen Umfeld könnten sich über mehrere Kanäle auf das Finanzsystem auswirken und Entwicklungen verstärken. Anders als bei Wohnimmobilien haben Kreditnehmer im Gewerbeimmobiliensektor zudem auch einen geringen Anreiz bei finanziellen Schwierigkeiten Kredite zu bedienen. Sie haben daher aus Sicht der Bundesbank das Potenzial, den Effekt eines negativen Schocks im Gewerbeimmobilienmarkt auf den Finanzsektor zu verstärken. Das erklärt mir auch die hohen Abschläge im Rahmen der LSI-Stresstests auf die Immobilienfondsbestände.

Ausweislich der folgenden Grafik wurden in den letzten 5 Jahren die Gewerbeimmobilien in Deutschland fast ausschließlich durch deutsche oder europäische Fonds erworben.

Der Blogartikel ist mit 17 Seiten und gut 1200 Wörtern nun etwas länger als sonst ausgefallen, aber dafür kannst Du Dir das Studium der 143 Seiten Original ersparen 😀

Dezember 2022

COLETTE STERNBERG

P.S.: Das schönste am Schreiben ist, leere Seiten mit Leben zu füllen. (Florian Greller) 

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